Schottland zu besuchen ohne eine Whisky-Destillerie gesehen zu haben ist beinahe so unmöglich wie Brüssel ohne „Manneken Pis„, Sankt Petersburg ohne Eremitage oder Rom ohne den Petersdom.
Also ist es nur zwangsläufig, dass ich auf meinen insgesamt vier Schottland-Reisen so einige dieser Traditionsbetriebe gesehen habe. Einen Gesamtüberblick quer durch das Land werde ich in einem späteren Beitrag geben, heute beschränke ich mich auf die Insel Islay, eine Insel der inneren Hebriden.
Islay wohl nur Whisky-Kennern ein Begriff: diese Insel steht für ein starkes Getränk, das nach Seetang, Salzwasser und Bootsteer schmeckt. Nichts für zarte Trinker. Es wäre ein Fehler, als allerersten schottischen Whisky einen von Islay zu wählen. Bei meiner ersten Verkostung von Single Malts aus verschiedenen Regionen Schottlands hatte ich auch einen Lagavulin im Glas und ehrlich gesagt, hatte ich das Gefühl, irgendein Desinfektionsmittel zu schmecken und zu riechen. Heute jedoch mag ich gerade diesen besonderen, herben Geschmack, der alles, wovon die Insel lebt und spricht, auf besondere Weise in sich vereint: Fischfang, Torfabbau, Boote, Meeresluft.
Von Glasgow aus kann man die Insel entweder per Charterflug (ca. 100€ pro Person) oder mit der Fähre erreichen. Wir waren ohnehin mit dem eigenen Auto im Lande. Also fuhren wir, an einem vernieselten frühen Morgen, von Glasgow nach Kennacraig. Von dort geht es per Fähre in 2 Stunden zur Insel hinüber. Für mich die schönere Art zu reisen, und das Auto am Hafen stehen zu lassen:
Fasziniert von der Fahrt, dem Ausblick auf die kleinen weiteren Inseln der Hebriden und dem Wolkenspiel am Himmel erlebten wir unterwegs sowohl Sonne und Regen, Windstille und starke Böen, klare und trübe Sicht:
Auf der Insel leben heute ca. 3.500 Menschen. Schafzucht, Fischfang und die Arbeit in einer der acht aktiven Whisky-Destillerien sind die Haupteinnahmequellen der Bewohner.
Uns interessiert natürlich der Whisky.
Hier entstehen Single Malts, d.h. das Gebräu kommt nach der Destillation und Fassreifung ungemischt in die Flasche. Ein langer Prozess von der Maische bis zum fertigen Getränk. Die Lagerungszeit im Fass variiert – es sind meist mindestens 8-10 Jahre, viele liegen jedoch auch länger. Hinzu kommt ein gewisser „Schwund“ – „Angels Share“ genannt, der durch die Verdunstung entsteht. Das alles macht den Schottischen Single Malt so teuer.
Whisky darf sich nur nennen, was mindestens 3 Jahre in einem Fass gelagert hat. Aus welchem Holz das Fass bestehen muss – das ist eine Philosophie für sich.
Das meiste der produzierten Menge wandert in sogenannte „Blended Malts“ – wird also weiterverkauft an Großbetriebe, die durch die gekonnte Mischung verschiedener Single Malts günstigere, aber eben auch hochwertige und bezahlbare Whiskys herstellen: Man kennt Johnny Walker, Dimple, etc. Das Alterslabel bezieht sich dann auf den jüngsten in der Mischung enthaltenen Single Malts. Faustregel: jüngere Malts bringen die Masse, alte Malts das ausgewogene Aroma eines guten Blended.
Folgende Destillerien produzieren auf Islay:
Caol Ila – mein absoluter Favorit, für mich der Edelste der Islays
Port Ellen (außer Betrieb, es werden aber noch Bestände verkauft)
Schon auf dem Weg zur Insel waren vier dieser Destillerien an der Küste zu sehen. Port Ellen, Lagavulin, Ardbeg und Laphroaig – ein faszinierender Anblick!
In Hafen von Port Ellen angekommen, wer die Orientierung zunächst etwas schwierig. Keine touristischen Wegweiser, keine laute Werbung für die weltweit bekannten Produkte von Islay, keine Taxis, die auf Fahrgäste warten.
Ein Besuch im „Tante-Emma-Laden“ um die Ecke klärte uns auf, dass es auf der Insel zwei Taxis gäbe und an der Scheibe der Tür fand sich die Telefonnummer. Es dauerte nicht lange und Sheila erschien mit einem Kleinbus, und lud uns 4 neugierigen Whyísky-Fans ein. Da wir noch keine Vorstellung von den Wegen auf der Insel hatten, baten wir Sheila um ihre Empfehlung. Unbedingt wollten wir nach Lagavulin, und so schlug unsere freundliche Fahrerin vor, uns zur am weitesten entfernten Destille zu fahren, von dort könnten wir dann zu Fuß zurück laufen. Aha!
Die Fahrt dauerte tatsächlich nicht lange und Sheila tat ihr bestes, um uns Land und Leute etwas näher zu bringen. Sichtlich erfreut war sie, dass wir die Islay-Whiskies den meisten anderen vorziehen würden.
Und so starteten wir mit unserer Erkundungs- und Tasting-Tour in Ardbeg:
Ardbeg ist ein sehr ausgewogener Malt, der die typischen Aromen von Islay verinnerlicht, aber die Geschmacksnerven doch nicht zu stark herausfordert. Typisch ist das keltische Dekor, das die Flaschen und Gläser ziert.
Ein kostenloses Tasting ist bei den meisten Destillerien inklusive und auch eine Führung durch die heiligen Produktionsstätten sollte man sich nicht entgehen lassen. Wir hatten auf unseren Reisen allerdings schon genug davon gesehen. Der Produktionsprozess ist doch in etwa derselbe. Wir gingen dann mal gleich zum Tasting über.
Schon ein, zwei flüssige „Beutestücke“ im Rucksack und ein Hausbier intus sowie sehr angetan von der ersten Verkostung ging es dann zur nächsten Destillerie. Gefühlte 20 Minuten später waren wir in Lagavulin:
Lagavulin ist der ruppige unter den drei getesteten Whiskies. Sehr kräftig und ursprünglich – nicht jedermanns Geschmack. ich mag ihn!
Das Tasting hier war mehr eine Formsache. Hier hätte uns eine Führung interessiert, aber die Firma hatte Betriebsferien. Dafür wurden wir in den Salon geführt und durften ausgiebig probieren, was Lagavulin anzubieten hat.
Wieder wurden die Rucksäcke durch entsprechende Einkäufe schwerer und der Weg Richtung Port Ellen führte uns zur dritten und letzten Brennerei (mehr war auch auf nachvollziehbaren Gründen nicht sinnvoll)…
Laphroaig war uns noch nicht sehr geläufig. Deshalb waren wir neugierig, was diesen Whisky von anderen unterscheiden würde:
Schotten sind geschäftstüchtig und pfiffig, was neue Einnahmequellen betrifft. Bei Laphroaig kann man „Freund“ werden, indem man ein winziges, symbolisches Stück Land erwirbt – und damit dazu beiträgt, die Flächen der Insel in ihrer Ursprünglichkeit zu bewahren.
Torf ist unabdingbar für die Whisky-Produktion. Die angekeimte Gerste wird über Torffeuer getrocknet und auch die Brennöfen mit Torf geheizt. Dadurch kommt der typische Geschmack in den Whisky. Je nachdem, wo der Torf gestochen wurde, entwickeln sich beim Brennprozess noch weitere wichtige Aromen. Das macht u.a. die vielen Geschmacksvariationen aus.
Laphroaig betreibt diesen Trocknungsprozess noch selbst. Auf einem großen Holzboden wird die gemaischte Gerste ausgebreitet und von dem darunter liegenden Raum aus erhitzt. Die Masse muss ständig mit großen „Schippen“ bewegt werden: die Masse wird aufgenommen und hoch in die Luft geschleudert – dann landet sie „gewendet“ wieder auf dem Holzboden. Viele andere Destillerien ersparen sich diesen arbeitsintensiven und teuren Arbeitsgang und beziehen inzwischen die fertig getrocknete Masse von Spezialbetrieben.
Laphroaig ist ein kräftiger, angenehmer Whisky, irgendwo zwischen Ardbeg und Lagavulin. Etwas ganz besonders ist der Quarter Cask: nach einer ersten Lagerung in Eichenfässern wird in kleinere Fässer umgefüllt (Quarter Casks).
Den nächsten Satz kann ich mir fast ersparen: tasten – einkaufen – einpacken… es wurde auch Zeit
zur Fähre zurückzukehren, denn es sollte ein Tagesausflug sein. Wer sich etwas mehr Zeit nehmen will, sollte sich ein Zimmer auf der Insel nehmen und ein paar Tage mehr einplanen. Es lohnt sich!
Ehrlich gesagt, war ich ganz froh, meine müden Füße und das leicht beduselte Haupt auszuruhen. Die Rückfahrt half ganz gut wieder fit zu werden. Und ganz still an Deck zu sitzen und den unvergleichlichen Sonnenuntergang anzuschauen – das ist unbezahlbar!
Kleines PS: Islay-Whiskies sind pure Medizin: Wenn eine Erkältung im Anmarsch ist – ein kleines Glas ( 2cl genügen!) in ganz langsamen, kleinen Schlucken trinken, die Nase ins Glas stecken und „inhalieren“. Das brennt die Keime förmlich weg. Funktioniert aber nur ganz am Anfang. Wenn man schon fiebrig ist oder die Nase schon läuft, ist es eher kontraproduktiv, mit Alkohol dagegenzuhalten.
In diesem Sinne: slàinte mhath !